Der Wurm in der Essiggurke

In der ganzen Stadt sind seit ein paar Wochen Bilder von Essiggurken zu sehen. Sie werben aber nicht für einen Supermarkt, der günstige Konserven verkauft, sondern für eine Kunstausstellung. Der Künstler Erwin Wurm hat Autos, Stühle, lustige Bilder und Essiggurken nach München gebracht. Wir haben den Österreicher aus Wien getroffen als er noch beim Aufbau seiner Ausstellung war und durften ihn fragen, wie man Künstler wird.

IST ERWIN WURM IHR ECHTER NAME?

Ja. Den Namen Erwin haben mir meine Eltern gegeben und Wurm ist der Familienname.
Ich wurde aber schon oft gefragt, ob das mein Künstlername ist. Stellt euch vor, ihr heißt Wurm und seid in der Schule!

WOLLTEN SIE SCHON IMMER VON BERUF KÜNSTLER WERDEN?

Also zumindest schon ganz lange. Mit 14, 15 Jahren war es mein Wunsch, Künstler zu werden, ich traute mich aber noch nicht, es jemandem zu sagen.

WORAN MERKT MAN, DASS MAN VIELLEICHT EIN KÜNSTLER IST?

Ich hab es daran gemerkt, dass ich sehr gerne Bilder angeschaut habe. Das hat mich immer schon fasziniert. Zu Hause hatten wir aber keine Bilder, weil meine Eltern nicht an Kunst interessiert waren. Durch die Schule bin ich dann mit Bildernund Skulpturen in Berührung gekommen. Ich wusste noch nicht, was das ist, aber ich habe gemerkt, dass es mich da hinzieht.

WAS IST DENN EIGENTLICH KUNST

Das ist eine echt schwierige Frage. Kunst ist immer in eine gewisse Zeit einzuordnen. Es gibt so etwas wie die „Sprache der Zeit“. Künstlerische Äußerung ist eine Beschäftigung
mit der Welt. Als Künstler interpretiert man die Welt auf seine Art und Weise oder man erfindet eine Gegenwelt.

WIE SIND SIE AUF DIE IDEE MIT DIESEM DICKEN ROSA AUTO GEKOMMEN?

Wenn man was modelliert, eine Figur baut, verändert man das Format. Bildhauerei ist
also Arbeit am Format. Dann ist mir aufgefallen, dass man auch Volumen verändert, wenn man zu viel isst. Daher ist fett werden auch eine bildhauerische Arbeit. Und schon war ich bei einem Thema unserer Zeit: dick sein, dünn sein wollen… Ein Auto kann nicht dick sein. Aber die Besitzer können dick werden. Man sagt ja, dass Menschen ihren Hunden ähnlicher werden. Und ich hab mir gedacht, vielleicht ist das mit den Autos ja auch so. Das sprichwörtlich „dicke Auto“ ist außerdem ja das „teure Auto“, also ein Bentley oder ein Mercedes. Das habe ich ausprobiert und ein dickes Auto gemacht, das auch ein Gesicht bekommen hat. Außerdem habe ich das Auto sprechen lassen.

ARBEITEN SIE MIT SKIZZEN?

Ich mache viele Skizzen. Ich hab da kleine Büchlein und immer wenn mir was einfällt,
dann zeichne ich das auf, um es nicht zu vergessen. Das kann überall sein: im Flieger, auf dem Klo, beim Essen. Damit passiert dann erstmal nichts. Nach ein paar Wochen schaue ich sie mir dann noch mal an und wenn ich sie dann immer noch gut finde, arbeite ich daran weiter.

SIE ZEIGEN AUCH GEBOGENE AUTOS. WAS BEDEUTET DAS EIGENTLICH?

Die gebogenen Fahrzeuge haben etwas mit unserem Begriff der Realität zu tun. Ich lebe ja in meiner Wirklichkeit, die ist aber anders als eure. Also ihr seht die Welt aus einer anderen Richtung als ich. Ihr seht sie aus der Sicht der Schüler, die lernen müssen und die von Lehrern genervt werden, ich habe andere Sachen, die mich nerven und die mich interessieren. Das heißt, ihr habt ein anderes Bild von der Welt als ich. Damit arbeite ich und versuche Wirklichkeiten zu verändern.

HATTEN SIE ANFANGS ANGST, DASS DIE LEUTE BEI DEN ONE-MINUTE-SCULPTURES
NICHT MITMACHEN?

Nein, Angst hatte ich nicht. Angst hat man, ob die Arbeit schlecht ist. Ich hatte keine Angst, dass die Leute es nicht machen. Ich war erstaunt darüber, wie leicht sie es machen, wie gerne und wie viele mitmachen. Jeder hat sich schon mal mit einem Bleistift in der Nase rum gebohrt. Oder ist mit einem Apfel im Mund stehen geblieben. Jeder macht Unsinn. Ich habe mir also überlegt, dass ich normale Gegenstände, die es überall gibt, mit normalen Menschen in Verbindung bringen möchte und dann mal schaue, was dabei dann
rauskommt.

DAUERT ES LANGE, EINE AUSSTELLUNG AUFZUBAUEN?

Das ist unterschiedlich. Diese hier dauert lang, weil sie groß ist und der Raum eine lange Wurst. Da habe ich geplant, wie ich mir das einteile, wo ich das Podest baue und die beiden Runden. Erst habe ich versucht, den Raum in den Griff zu bekommen und dann kommen die Arbeiten.

WER MACHT DENN DIE PULLIS, DIE DIE FIGUREN ANHABEN?

Ich stricke die am Wochenende selbst! (lacht) Nein, die werden von großen Strickmaschinen gestrickt und es gibt eine Schneiderin, die das dann anpasst. Aber ich hab das mal einem Journalisten erzählt und der hat das dann auch in der Zeitung geschrieben: Erwin Wurm strickt seine Pullis selbst!

(Fotos: Fritz Beck, Kunstbau)