Hilfe für wohnungslose Familien

Eigenes Zimmer, Heizung, genug zu essen und trinken – so lässt sich der Winter aushalten. Doch manche in Not geratenen Familien haben all das nicht. Zum Glück gibt es für sie kurzfristige Hilfe und Übernachtungsplätze durch das Münchner Kälteschutzprogramm. Ein Besuch bei Asja Döring von FamAra …

 

 

Um wen kümmert sich FamAra?

FamAra ist für Familien mit Kindern da, die keine Wohnung haben. Das heißt, dass sie im Moment in einer Notunterkunft wohnen und deswegen keinen eigenständigen Mietvertrag haben. Es kann auch sein, dass sie vorübergehend bei Bekannten und Freunden untergekommen sind. Oder im Auto schlafen – der schlimmste Fall. Oft handelt es sich um Familien, denen in der Heimat etwas Schlimmes passiert ist und sie dort schnell wegmussten.

 

Gibt es dieses Programm nur in München?

Den Kälteschutz gibt es in jeder Stadt, weil man bayernweit der Meinung ist, dass kein Mensch auf der Straße erfrieren sollte.

 

Ihre Einrichtung hat mehrere Aufgaben. Können Sie die kurz vorstellen?

Es gibt vier Bereiche. Der erste ist eine Beratung (in Haidhausen), der zweite, dass wir zu Leuten gehen, die draußen, vielleicht sogar unter der Brücke schlafen, und vor Ort versuchen, die Familie bei uns in der Beratung anzubinden. Das heißt dann Streetwork. Es kommt aber nicht so oft vor, und Gott sei Dank haben wir noch nie ein Kind unter einer Brücke getroffen. Der dritte Bereich ist der Tagesaufenthalt in unseren Räumen in der Orleansstraße und der vierte die Übernachtungsmöglichkeiten im Winter in der Bayernkaserne. Das ist so geregelt, dass die Familien dann von Nachmittag um drei bis um neun am nächsten Morgen eine Unterbringung bekommen, als Schutz vor Kälte. Das ist eigentlich nur ein Notfallschlafplatz, aber es kann von jedem in Anspruch genommen werden, unabhängig von Herkunft, Alter oder Sonstigem.

 

Kann man dann den ganzen Winter über hierhergehen?

Solange eine Notsituation vorliegt, kann die Familie unsere Einrichtung nutzen. Nur ein Kind ohne Eltern könnte das nicht, weil es da andere Bestimmungen gibt. Jugendliche ohne Begleitung von Erwachsenen kämen dann in eine Jugendeinrichtung, wo sich noch viel mehr Leute um sie kümmern.

 

Ist FamAra kostenlos?

Das Tagesangebot ist für die betroffenen Familien kostenlos. Hier können sie sich Getränke nehmen und werden mit einer warmen Mahlzeit und Obst versorgt. Außerdem haben wir auch Kleider- und andere Spenden, die wir rausgeben.

 

Sie haben von einem Kälteschutz gesprochen, aber wo wohnen dann die Kunden im Sommer?

Gute Frage, das wissen wir selbst teilweise leider nicht so genau. Oft bei Freunden und Bekannten oder sie haben doch noch ein bisschen Erspartes und können sich eine Pension für ein paar Wochen leisten, wo sie aber auch keinen Mietvertrag bekommen und manchmal fahren sie auch wieder zurück, dann bekommen sie ein Ticket in ihr Heimatland und in der Zwischenzeit können sie dann, bis sie sich entschließen zurückzukehren, auch Notfallschlafplätze in Anspruch nehmen von maximal vier Wochen, bzw. manchmal kommt die Familie hier an und merkt, es geht nichts und fährt dann am zweiten, dritten Tag zurück, dann gibt es spezielle Notfallschlafplätze für solche Fälle.

 

Wie versuchen Sie, den Familien langfristig zu helfen?

Es wäre schön, wenn es ein Schema gäbe, aber wir müssen immer sehen, was die jeweilige Familie braucht. Es kann sein, dass wir sagen: „Rückkehr ins Heimatland ist die beste Lösung.“ Manchmal empfehlen wir aber auch, sich einen Job und eine eigene Wohnung zu suchen. Es kann auch sein, dass wir ein Frauenhaus finden, wo die Mutter unterkommt und dort weitere Hilfen erfährt.

 

Wie viele Menschen kommen hierher?

Im Kälteschutz hatten wir letztes Jahr 120 Familien von November bis April, also in den sechs Monaten, in denen das Programm läuft. Das ist schon recht viel. (Anmerkung der Redaktion: Insgesamt waren 2016 etwa 7.300 Menschen in München wohnungslos, darunter fast 1.600 Kinder.)

 

Woher stammen die Familien?

Unterschiedlich, aber hier haben wir nur Menschen aus der EU und keine aus sogenannten Drittstaaten außerhalb der EU. Für diese und „klassische Flüchtlinge“ etwa aus Syrien gibt es andere Einrichtungen. Für Deutsche haben wir auch eine Beratung. Der Aufenthalt im Kälteschutz dauert aber meist nicht so lang, weil sie recht schnell den Anspruch auf eine Wohnung klären können.

 

Gibt es „typische“ Familien, die kommen?

In der Regel kommen Paare mit Kindern, oft aber auch alleinerziehende Mütter. Dann ist eine Beratung besonders schwierig, weil nicht einer arbeiten gehen kann und der andere au die Kinder aufpasst.

 

Warum sind die Familien hier?

Viele haben finanzielle Schwierigkeiten. Oft haben sie in ihrer Heimat erst den Job, dann die Wohnung verloren und sind schließlich in einen Teufelskreis geraten. Andere haben Sorgen wie häusliche Gewalt (das bedeutet, sie werden von anderen Familienmitgliedern verletzt …) oder sind auf der Flucht vor Diskriminierung. Wir verstehen uns als Art Auffangbecken für Leute, die (größtenteils) unverschuldet in Not geraten sind.

 

Gehen die älteren Kinder einfach in die Schule und kommen danach hierher zurück?

Also Schulkinder halten sich auch hier auf, aber nicht so viele und meistens in den Ferien, weil wir halt im Sommer von 11 Uhr bis 16 Uhr und im Winter von 9.30 Uhr bis 15 Uhr geöffnet haben. Während der Schulzeit kommen sie also nicht so oft her.

 

Feiert ihr hier auch Feste, wie zum Beispiel Ostern oder Weihnachten?

Ja, wir haben Jahresfestivitäten. An Weihnachten machen wir eigentlich immer eine Advents- und eine Weihnachtsaktion. Am 24. Dezember gibt es dann spezielles Essen und eine kleine Bescherung und wir stellen einen Weihnachtsbaum auf. An Fasching werden die Kinder geschminkt und es gibt Krapfen. Also wir haben schon immer Programm.

 

Ist das dann kulturell verschieden? Weil vielleicht feiern nicht alle unsere Feste, aufgrund der Religion zum Beispiel?

Ja, also wir versuchen da natürlich die deutsche Kultur und deutschen Festivitäten zu vermitteln. Wir sind aber auch offen, wenn eine Familie sagt, sie möchten gerne Ramadan hier feiern und darüber etwas erzählen. Es ist noch nicht vorgekommen, dass sie andere miteinbezogen haben, aber wenn das jemand möchte, wären wir auch offen und versuchen dann die Familien zu unterstützen, selbst ihre Kultur mit einem Projekt einfließen zu lassen.

 

Wenn ich sehe, dass ein Kind Hilfe braucht – kann ich es einfach hierherbringen?

Die meisten Leute tauchen hier auf, weil sie das von den Behörden gesagt bekommen und diese ihnen nicht sofort eine Wohnung oder Sozialhilfe geben können, weil sie dafür erst noch Anträge stellen müssen. Wir helfen dann auch bei den Anträgen. Es gibt aber auch Vermittlungen durch Bürgerinnen und Bürger.

 

Wenn jetzt ein Kind oder Jugendlicher mitkriegt: „Oh, ich kenne Leute, die haben auch keine Wohnung oder sind im Kälteschutz.“ Was kann man denen Gutes tun?

Kinder und Jugendliche können im Rahmen ihres Schülerpraktikums bei uns helfen oder, wenn sie sich trauen, an die Familien direkt herantreten. Man sieht die ja auch au der Straße und hilft halt dann den Koffer bis zur nächsten Station zu tragen. Man kann hier auch Lebensmittel abgeben, die wir dann verteilen. Hilfreich ist auch, für Kinder aus dem Kälteschutz Verständnis aufzubringen, sie vielleicht sogar mal zum Essen und Spielen einzuladen …

 

Was ist mit Geldspenden?

Wer etwas spenden möchte, kann mit mir reden. Ich könnte sagen, dass wir den Familien gerne mit diesem und jenem zusätzlich helfen. Dann kann man eine Spende machen, etwa zur Unterstützung der Familien mit Schulartikeln. In diesem Fall kaufe ich direkt die Schulmaterialien und gebe sie den betroffenen Personen. So kommt bei ihnen das Geld sofort an, in Form von gekauten Artikeln.

 

Die einzige Frage, die noch offen ist, spricht wieder das sensible Thema Finanzen an. Woher kommt überhaupt die Finanzierung?

Also wir sind gefördert. Alles was wir hier einnehmen und von der Landeshauptstadt München an Budget bekommen, geben wir für das Projekt, für die Einrichtung aus. Zusätzliche Mittel haben wir nicht zur Verfügung.

 

Was ist das Schönste, das Sie hier erlebt haben?

Es ist immer schön, zu sehen, wenn Familien sich untereinander helfen, obwohl ihre eigene Not sehr groß ist. Da können wir „Reichen“ uns eine Scheibe abschneiden, weil wir manchmal so mit unserem Wohlstand beschäftigt sind, dass wir keine Zeit mehr haben für andere Leute.

 

 

Vielen Dank an Frau Döring von FamAra und an Annabell, Kyra, Kwo-Wah, Nam und Martina Fritze von der Kinderredaktion für das tolle Interview!

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